Arbeitsrecht Urteile 2017 |
16.11.2017
Der Kläger war von 1991 bis 2014 bei der beklagten Gesellschaft beschäftigt, die ein Casino in Portugal besitzt und betreibt. Das Casino ist mit Ausnahme des 24. Dezembers täglich vom Nachmittag bis zum folgenden Morgen geöffnet. Während der Jahre 2008 und 2009 arbeitete der Kläger manchmal an sieben aufeinanderfolgenden Tagen.
Ab 2010 änderte die Beklagte die Organisation der Arbeitszeiten, so dass die Beschäftigten an nicht mehr als sechs aufeinanderfolgenden Tagen arbeiteten. Nach der Beendigung seines Arbeitsvertrags im März 2014 erhob der Mitarbeiter Klage gegen seine Arbeitgeberin, um im Wesentlichen feststellen zu lassen, dass die Gesellschaft ihm die Pflichtruhetage, auf die er nach seiner Auffassung Anspruch hatte, nicht gewährt habe.
Er forderte insoweit Entschädigungszahlungen entsprechend der Vergütung der gearbeiteten Überstunden. Nach der Arbeitszeitrichtlinie (Richtlinie) hat jeder Arbeitnehmer pro Siebentageszeitraum Anspruch auf eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden.
Das Berufungsgericht in Porto hat Zweifel in Bezug auf die Auslegung der Richtlinie und möchte vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wissen, ob die kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden, auf die ein Arbeitnehmer Anspruch hat, spätestens an dem Tag gewährt werden muss, der auf einen Zeitraum von sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen folgt.
In seinem Urteil vom 9. November 2017 erklärt der EuGH, dass das Unionsrecht nicht verlangt, dass die wöchentliche Mindestruhezeit spätestens an dem Tag gewährt wird, der auf einen Zeitraum von sechs aufeinanderfolgenden Arbeitstagen folgt, sondern nur, dass sie innerhalb jedes Siebentageszeitraums gewährt wird.
Der EuGH stellt zunächst fest, dass die Wendung ''pro Siebentageszeitraum'' keinerlei Verweisung auf das nationale Recht der Mitgliedstaaten enthält und somit ein autonomer Begriff des Unionsrechts ist, der einheitlich ausgelegt werden muss. Dann nimmt der EuGH eine Analyse von Wortlaut, Zusammenhang und Zielen der Richtlinie vor.
Zum Wortlaut führt er aus, dass sich aus dem Text der Richtlinie selbst ergibt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, zu gewährleisten, dass jedem Arbeitnehmer während eines Siebentageszeitraums eine kontinuierliche Mindestruhezeit von 24 Stunden (zuzüglich der täglichen Ruhezeit von elf Stunden) zur Verfügung steht, dass aber darin nicht festgelegt wird, zu welchem Zeitpunkt diese Mindestruhezeit zu gewähren ist.
Was den Zusammenhang betrifft, in dem die Wendung ''pro Siebentageszeitraum'' verwendet wird, ist der EuGH der Ansicht, dass dieser Zeitraum als Bezugszeitraum angesehen werden kann, d.h. als ein fester Zeitraum, innerhalb dessen eine bestimmte Anzahl aufeinanderfolgender Ruhestunden zu gewähren ist, unabhängig vom Zeitpunkt, zu dem diese Ruhestunden gewährt werden.
Im Hinblick auf das Ziel der Richtlinie schließlich erinnert der EuGH daran, dass diese den Zweck verfolgt, die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer wirksam zu schützen. Jedem Arbeitnehmer müssen also angemessene Ruhezeiten zur Verfügung stehen. Allerdings lässt die Richtlinie für ihre Umsetzung eine gewisse Flexibilität zu und räumt somit den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Festsetzung des Zeitpunkts, zu dem diese Mindestruhezeit zu gewähren ist, ein Ermessen ein.
Diese Auslegung kann auch dem Arbeitnehmer zugutekommen, da sie es erlaubt, ihm am Ende eines und am Anfang des darauf folgenden Bezugszeitraums mehrere aufeinanderfolgende Ruhetage zu gewähren. Schließlich betont der EuGH, dass die Richtlinie nur Mindestnormen für den Schutz des Arbeitnehmers im Rahmen der Arbeitszeitgestaltung aufstellt.
Die Mitgliedstaaten dürfen also für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anwenden oder erlassen oder die Anwendung von für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigeren Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern fördern oder gestatten.
(Quelle: PM des EuGH)