Verkehrsrecht Urteile 2012 |
19.03.2012
Die Straßenverkehrsordnung (StVO) verpflichtet dazu, die vorgeschriebenen Sicherheitsgurte eines Fahrzeugs während der Fahrt anzulegen. Wer gegen diese Pflicht verstößt, der muss im Falle eines Unfalls damit rechnen, dass er auf einem Teil seines Schadens sitzen bleibt, weil ihm ein Mitverschulden zur Last gelegt wird.
Das gilt allerdings nicht bei einem Zweitunfall, wenn das Fahrzeug wegen eines (Erst-)Unfalls bereits zum Stehen gekommen war und der Fahrer sich abgeschnallt hatte, um den Wagen zu verlassen, wie der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich urteilte.
In der Entscheidung vom 28. Februar 2012 (Az.: VI ZR 10/11) ging es um folgenden Fall: Die Klägerin war nachts auf der Autobahn mit ihrem Fahrzeug ins Schleudern gekommen und gegen die Mittelleitplanke geprallt. Als der Wagen auf der linken Spur zum Stehen kam, schnallte sich die Klägerin ab.
Kurz darauf prallte der Beklagte mit seinem Fahrzeug auf den Wagen der Klägerin, die schwer verletzt wurde. Sie verlangte vom Beklagten Schadensersatz unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 40%. Der wollte jedoch für weniger als die restlichen 60% des Schadens aufkommen.
Der BGH entschied im Sinne der Klägerin. Da es nur um die Haftung des Beklagten für den Zweitunfall ging, kam es für die Frage eines Mitverschuldens der Klägerin allein darauf an, ob sie zu diesem Zeitpunkt noch hätte angeschnallt sein müssen. Das verneinten die Richter mit dem Argument, dass der Zweitunfall sich nicht mehr "während der Fahrt" ihres Pkw ereignete.
Nach dem ersten Unfall sei sie nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet gewesen, den Gurt zu lösen, so die Richter weiter. Denn nur so hätte sie ihrer Pflicht nach der StVO zur Sicherung der Unfallstelle nachkommen können. Dass sie beim Zweitunfall nicht angeschnallt war, könne ihr daher nicht angelastet werden, lautete das Fazit des BGH.