Verkehrsrecht Urteile 2017 |
29.06.2017
Ein Kraftfahrzeughändler kann vom privaten Verkäufer die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Gebrauchtfahrzeug verlangen, wenn das verkaufte Fahrzeug entgegen den Vereinbarungen im Kaufvertrag nicht unfallfrei und nicht nachlackierungsfrei ist. Das kann auch dann gelten, wenn der Händler das Fahrzeug vor Vertragsabschluss in der eigenen Werkstatt untersucht hat. Das das Oberlandesgericht Hamm (OLG) am 16. Mai 2017 entschieden (Az.: 28 U 101/16).
Die Klägerin betreibt einen Kraftfahrzeughandel. Im Februar 2015 erwarb sie von der Beklagten, einer Privatperson, für 10.660 Euro ein Gebrauchtfahrzeug vom Typ Nissan Juke. In der schriftlichen Kaufvertragsurkunde vereinbarten die Parteien, dass das Fahrzeug unfallfrei sei und keine Nachlackierung habe. Der Klägerin war bekannt, dass die Beklagte nicht die Ersthalterin des Fahrzeugs war.
Zudem hatte die Klägerin vor Vertragsschluss Gelegenheit, das Fahrzeug in ihrer Werkstatt auf Vorschäden und sonstige Mängel zu untersuchen. Nach Austausch der vereinbarten Leistungen erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag mit der Begründung, bei dem verkauften Nissan Juke handele sich um einen Unfallwagen, der zudem nachlackiert worden sei. Mit der gegen die Beklagte erhobenen Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des verkauften Fahrzeugs.
Die Klage war erfolgreich. Das OLG hat das Rücktrittsverlangen der Klägerin für begründet erachtet. Das von der Beklagten verkaufte Fahrzeug habe nicht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entsprochen. Nach dem Vertrag habe das Fahrzeug unfallfrei sein und keine Nachlackierungen haben sollen. Diese Beschaffenheit habe das Fahrzeug während seiner gesamten Lebenszeit und nicht nur beschränkt auf die Besitzzeit der Beklagten aufweisen sollen.
Dass die Klägerin das Fahrzeug vor Vertragsschluss selbst untersucht habe, bedeute nicht, dass sie dadurch die Beklagte habe entlasten oder aus ihrer Gewähr habe entlassen wollen. Das Fahrzeug ist bei Übergabe an die Klägerin nicht unfall- und nachlackierungsfrei gewesen. Es weise im rechten hinteren Bereich einen unfachmännisch reparierten Unfallschaden mit Nachlackierungen und zudem am vorderen Stoßfänger Spuren eines Anprallgeschehens auf. Der Rücktritt der Klägerin sei auch nicht ausgeschlossen, weil sie die Mängel bei Vertragsabschluss gekannt habe oder der Klägerin die Mängel aus grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sein.
Eine grob fahrlässige Unkenntnis der Mängel sei der Klägerin nicht vorzuwerfen. Auch als Kraftfahrzeughändlerin habe sie grundsätzlich keine Obliegenheit, das zu erwerbende Fahrzeug gründlich auf Unfallschäden, sonstige Beschädigungen oder Mängel zu untersuchen und dürfe sich insoweit auf eine Sichtprüfung sowie Angaben eines Verkäufers verlassen. Erst wenn ein am Kauf interessierter Händler konkrete Anhaltspunkte dafür habe, dass die infrage stehenden Angaben des Verkäufers falsch oder zweifelhaft seien, könne es als grob sorgfaltswidrig gewertet werden, wenn er das Fahrzeug dennoch nicht genauer untersuche.
So liege der vorliegende Fall nicht. Bei ihm habe die Klägerin das Fahrzeug vor dem Kauf lediglich einer Sichtprüfung unterzogen und der gerichtliche Sachverständige habe es für möglich gehalten, dass ein Fachmann die Mängel des Nissan Juke bei einer Sichtprüfung nicht entdecke. Dies gehe zulasten der Beklagten. Die Voraussetzungen einer grob fahrlässigen Mängelunkenntnis der Klägerin hätte sie nachweisen müssen.
(Quelle: PM des OLG)