Bericht der japanischen Anwaltskammer
janolaw ist eine Art virtuelles Kanzleibüro. Als das erste seiner Art in Deutschland unterscheidet sich das im Jahre 2000 von zwei Rechtsanwälten gegründete Unternehmen von herkömmlichen Anwaltskanzleien insbesondere durch seine Geschäftsstrategie und Organisationsstruktur. So gab es anfangs weder Kontakt mit Klienten noch einen Konferenzraum für Treffen mit Auftraggebern. Auch werden keine grundlegenden juristischen Dienstleistungen erbracht. Das Basiskonzept der Firma bestand zunächst vielmehr darin, die telefonische Rechtsberatung auf den Markt zu bringen.
"In der Rechtsberatung wird man meist mit gleichen, bereits bekannten Fällen konfrontiert", erläutert Firmenmitbegründer und -chef Rechtsanwalt Dr. Ha-Sung Chung das Konzept. "Daher haben wir ein wirtschaftliches System entwickelt, welches das Wissen aus bereits bearbeiteten Mandaten für die Bearbeitung neuer Mandate nutzt." Die telefonische Rechtsberatung bildet bis heute eine der Säulen des innovativen Unternehmens. Rund 10.000 Kunden nutzen monatlich diesen Service.
Der zweite Schwerpunkt liegt in der Erstellung von Vertragsurkunden. Dazu beantwortet der "Mandant" im simulierten Anwaltsgespräch alle notwendigen Fragen mit ja oder nein und erstellt so direkt online und völlig selbstständig seinen maßgeschneiderten Vertrag. Allein für eine einzelne Vertragsurkunde sind je nach Frage-Antwort-Kombination mehrere Tausend Varianten möglich.
Dieses Prinzip lässt sich auch auf ausländische Rechtsordnungen anwenden. So gibt es eine Auswahl an janolaw Dokumenten in Spanien und der Schweiz. Darüber hinaus wird das Angebot demnächst in mehrere Sprachen, darunter Englisch, Französisch und Spanisch, übersetzt. Schon jetzt stehen einzelne Verträge auch auf Englisch zur Verfügung.
Ein lukratives Geschäft, wie Dr. Chung vorrechnet: "Ein Vertrag kostet bei uns zwischen 10,– und 50,– Euro. Wenn wir davon 10.000 oder 20.000 Stück verkaufen, steigt der Umsatz erheblich stärker, als wenn wir persönlich vor Gericht erscheinen. Dank der vollautomatischen Erstellung und Lieferung fallen aber keine zusätzlichen Kosten an." Bei Gesetzesänderungen ist es die Aufgabe der 20 Rechtsanwälte unter den insgesamt 35 Mitarbeitern des Unternehmens, die Vorlagen und Muster entsprechend abzuändern und in ihr Programm einzupflegen.
Das dritte Geschäftsfeld ist die Online-Rechtsberatung. Nach demselben Ja-Nein-Prinzip wie bei der Vertragserstellung findet der Kunde per Mausklick Antworten auf rechtliche Standardfragen und kann sich so z.B. optimal auf einen Besuch beim Anwalt vorbereiten. Durch den Online-Automatismus kann Rechtsberatung im großen Umfang zum günstigen Preis genutzt werden. "Dieser Markt ist überaus groß und viele Menschen nehmen diese günstige Rechtsberatung in Anspruch", berichtet der janolaw Chef.
Dagegen war die Programmgenerierung sehr kostenintensiv. Bereits zu seiner Studentenzeit hatte Dr. Chung eine Software über Rechtsformeln programmiert, die zuerst im Beck-Verlag (etwa vergleichbar mit dem Yuhikaku-Verlag in Japan) publiziert wurde. Unter der Mitwirkung von drei Universitäten wurde dieses Lerntool für Studenten dann weiterentwickelt zu einer Software, die erstmals eine vollständig automatisierte Rechtsberatung im Internet ermöglichte. Auf fünf bis sechs Millionen Euro beziffert der Jurist die bis heute aufgelaufenen Entwicklungskosten. Besonders kostenaufwendig war dabei die Erstellung von Inhalten – eine Kombination verschiedener Muster, Verträge und juristischer Informationen. Inzwischen verwenden einige Rechtsanwaltsbüros ein System dieser Art.
Dr. Chung erläuterte sein Geschäftsmodell vor der koreanischen Anwaltskammer, mit deren Präsidenten ihn eine kollegiale Freundschaft verbindet. Dabei kam er auch auf das Problem der Arbeitslosigkeit unter Anwälten zu sprechen, das auch in Korea eine große Rolle spielt und derzeit von einem staatlichen Komitee untersucht wird: "Es gibt für einen Anwalt viele Arbeitsgebiete – auch jenseits der klassischen Kanzleitätigkeit. In Deutschland z.B. geht fast nichts ohne Verträge. Es ist jedoch sehr kostspielig, sich den gewünschten Vertrag von einem Rechtsanwalt vor Ort aufsetzen zu lassen. Daher nutzen vor allem Privatpersonen in großem Umfang kostenlose oder kostengünstige Rechtsservices und Musterverträge, was auf einen enormen Markt hindeutet." Doch obwohl dieses Arbeitsumfeld für Anwälte bestimmt sei, seien diese Positionen von Verlagen besetzt, weil Anwälte dieses Gebiet nicht für besonders attraktiv erachten.
Ganz ohne Zahlung kann sich freilich kein Geschäft entwickeln – es sei denn, man hat starke Investoren wie Banken oder Versicherungsfirmen im Rücken. "Um solche Partner zu gewinnen und sich dabei gegen die Konkurrenz der Großkanzleien und Verlage zu behaupten, war es wichtig zu wissen, wo sich der Markt befindet und zugleich den komparativen Vorteil innerhalb dieses Marktes zu erkennen", erläutert Dr. Chung. Als Anwalt besaß er die Möglichkeit, mittels des Internets Rechtsdienstleistungen anzubieten. Dies war ein entscheidender Vorteil gegenüber Verlagen, die nur einschlägige Bücher verkaufen. Dr. Chung: "Hinzu kommt, dass Anwälte hierzulande keine individuellen Beratungen durchführen, die nicht profitabel sind. Auch hier lag ein großes Potenzial, das sich durch ein durchdachtes webbasiertes Service-Konzept heben ließ." So entstand das Business-Modell für janolaw. Und mit einem großen deutschen Versicherungskonzern fand sich auch schnell der passende Investor, der die anwaltlichen Services von janolaw als Chance begriff, seine Rechtsschutz-Pakete um eine attraktive Service-Leistung zu erweitern.
Ein weiterer Punkt seiner Ausführungen betraf die Frage, ob und wie die Richtigkeit der Online- und Telefonberatung garantiert wird. "Zunächst einmal ist es wichtig, dass man ausgezeichnete Anwälte zusammenbringt", betont der Jurist. "Darüber hinaus gibt es öffentliche Organisationen, die die Qualität der Angebote prüfen und Sicherheitskontrollen durchführen, um Kundenvertrauen zu gewinnen." Eine der wichtigsten Überwachungsorganisationen in Deutschland ist der "Technische Überwachungs-Verein", kurz TÜV. Dieser prüft Produkte und Services auf ihre Qualität und nimmt die Zertifizierung vor. Der TÜV führt in allen Sektoren derartige Sicherheitskontrollen und Produktzertifizierungen durch. Die bekanntesten sind die Kfz-Kontrollen, aber auch in Finanzinstituten und anderen Branchen werden diese Kontrollen durchgeführt.
Die Anwaltshotline von janolaw wurde mit Top-Qualitätssiegel zertifiziert. Die TÜV-Zertifizierung bestand aus sechs Stufen. Mit der Note 1,55 im Jahr 2006 und der Note 1,45 im Jahr 2008 hat das Online-Kanzleibüro dabei enorm gut abgeschnitten. Nicht ohne Stolz wirbt die Firma mit diesem Ergebnis prominent auf ihrer Homepage.
Nicht zuletzt haften die Anwälte für falsche Auskünfte. "Während der Ertrag pro Beratung äußerst gering ist, kann ein Beratungsfehler enormen Schaden verursachen", weiß Dr. Chung. Die rechtliche Berufshaftpflicht decke im Normalfall einen Schaden bei 1 Million Euro. Sogar bei Beratungen in Höhe von etwa 10,– Euro bestehe keine Entschädigungsbegrenzung. "Durch vielfältige interne Korrektur- und Kontrollmechanismen sowie umfangreiche Schulungsmaßnahmen werden aber vergleichsweise weniger falsche Antworten gegeben als bei Rechtsberatungen durch gewöhnliche Anwaltskanzleien."
In Ländern wie dem heutigen Japan oder Korea, die besessen sind von dem Gedanken, dass Anwälte der Eliten angehören, scheint die Umsetzung eines solchen Modells jedoch kaum vorstellbar. In Deutschland dagegen sind die Voraussetzungen durch zahlreiche fachspezifische Anwälte gegeben, die sich z.B. auf IT-Recht oder die Rechtsberatung am Telefon spezialisiert haben. Die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt tut ein Übriges: "Während ein überragender Anwalt noch vor zehn Jahren problemlos in einer renommierten Kanzlei untergekommen war, ist das heute nicht mehr der Fall. Das führt dazu, dass ein- und dasselbe Gehalt dem einen zu wenig, manch anderem aber viel erscheint. Dies wiederum ermöglicht es, qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen, an die man vorher nicht herankam." In Spanien, wo viele Anwälte ohne Beschäftigung sind, könne man ebenso vorgehen wie in Deutschland. Da in den Niederlanden ähnliche Bedingungen herrschen, plant Dr. Chung, das janolaw Prinzip auch dort zu etablieren.
Der koreanische Markt steht ebenfalls auf der Business-Agenda des deutschen Unternehmers mit koreanischen Wurzeln – vorausgesetzt, die Zahl der Anwälte in Korea steigt und die Rechtsschutzversicherung wird dort in großem Umfang ausgebaut. Der Bedarf scheint jedenfalls groß: Wegen der überteuerten Anwaltskosten werden in Korea 90% der Klagen von den betroffenen Personen selbst eingereicht. Dr. Chung ist sich daher sicher: "Sollte die Rechtsschutzversicherung in Korea mit der Unterstützung von Versicherungsunternehmen ausgebaut werden - und Pläne dazu gibt es bereits - , um eine kostenlose bzw. kostengünstige individuelle Rechtsberatung anzubieten, dann wird der Markt auch in Korea blühen."
Aus dem Japanischen übersetzt von Ju-Il Kim.
Lektorat: André Kröger.