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Financial Times Deutschland vom 25.09.2007
Das Telefon klingelt.
Die unbekannte Stimme kommt gleich
zur Sache: Wie ist das nun mit dem Erbe,
wenn der Verstorbene kein Testament
hinterlassen hat? Für Sabine Heusinger-
Burger keine ungewöhnliche Situation.
Die 29-jährige Anwältin macht
nur telefonische Erstberatung. 30 bis 40
solcher Anrufe hat sie am Tag. Ihr Arbeitgeber
ist die Janolaw AG, die für die
Arag Rechtsschutzversicherung telefonische
Beratungen anbietet. Seit sieben
Monaten arbeitet Heusinger-Burger bei
Janolaw. Es ist ihre erste Stelle nach
dem Juraexamen. Das Büro teilt sie sich
mit zwei Kollegen.
Immer mehr Rechtsschutzversicherer
bieten diesen Service an. Sie greifen auf
die Dienste von Anwälten zurück, weil
sie die juristische Beratung nicht selbst
übernehmen dürfen. Die Anwaltschaft
beobachtet diese Entwicklung mit Sorge.
Juristen fürchten, dass das Recht auf
freie Anwaltswahl eingeschränkt wird -
und sie fürchten die Konkurrenz.
Auch die Beratungsqualität macht den
Anwälten Sorgen. "Die telefonische Beratung
kann das anwaltliche Beratungsgespräch
nicht ersetzen", sagt Stefan
Peitscher, Hauptgeschäftsführer der
Rechtsanwaltskammer Hamm, der drittgrößten
in Deutschland. "Das eignet
sich nur für wenige Fälle." Außerdem sieht er die Gefahr, dass am Telefon
nicht sachgemäß beraten wird. "Die
Versicherer haben ein Interesse, die Kosten
niedrig zu halten. Deswegen muss
man skeptisch sein."
Die Versicherer weisen solche Vorwürfe
energisch zurück. "Die Beratung
selbst wird von Anwälten durchgeführt.
Diese haben eine hohe Sorgfaltspflicht",
sagt Klaus Heiermann von der Arag.
"Es gibt nur gute oder schlechte Beratung",
sagt Janolaw-Vorstandssprecher
Michael Zahrt. Die Anwälte würden unabhängig
und professionell arbeiten.
Und auch Heusinger-Burger beteuert:
"Es gibt keine Einflussnahme."
Die Assekuranz lässt sich von Bedenken
aus der Anwaltschaft nicht bremsen.
"Wenn der Kunde das wünscht, bieten
wir das als Dienstleister auch an", sagt
Arag-Sprecher Heiermann. Der Versicherer
hat die Rechtsberatung per Hotline
seit Ende 2005 im Angebot - zunächst
als integrierten Bestandteil der
Rechtsschutzpolice "Rechtsnavigator",
seit August auch als separate Leistung.
Für 4,99 Euro im Monat kann sich jeder
zu juristischen Fragen erstberaten lassen.
Das Geschäft laufe "sehr positiv",
sagt Heiermann. Seit Einführung der
Beratung seien 1200 Policen verkauft worden.
"Das ist ein objektiv bestehender Bedarf,
der bisher nicht abgedeckt wurde",
bestätigt Janolaw-Vorstand Zahrt. Damit
eröffne sich für Anwälte ein völlig
neues Berufsfeld. Wer hier arbeite, müsse
teamfähig und stressresistent sein.
Dafür verdiene er auch deutlich mehr
als ein junger Anwalt, der sich selbstständig
macht, sagt Zahrt. Heusinger-Burger
kommt im Schnitt auf 3000 Euro
brutto im Monat - abhängig von der
Zahl der Anrufe. Ein Mindestgehalt sei
garantiert.
Die Rechtshotline ist für Arag ein Mittel
zur Bindung der Kunden, erklärt Heiermann.
"Es herrscht ein Verdrängungswettbewerb,
der Markt wächst nicht."
Eine direkte Konkurrenz für die Anwälte
müssen die Hotlines nicht unbedingt
sein: "Man kann noch nicht abschätzen,
ob Hotlines den Anwälten Konkurrenz
machen oder einen zusätzlichen Markt
erschließen", sagt Matthias Kilian vom
Soldan-Institut für Anwaltmanagement,
das Entwicklungen in der Anwaltschaft
erforscht.