Verkehrsrecht Urteile 2016 |
19.05.2016
Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) hat es in einem Beschluss vom 18. Mai 2016 für grundsätzlich zulässig erachtet, in einem Bußgeldverfahren ein Video zu verwerten, das ein anderer Verkehrsteilnehmer mit einer Dashcam aufgenommen hat (Az.: 4 Ss 543/15). Dies gelte jedenfalls für die Verfolgung schwerwiegender Verkehrsordnungswidrigkeiten etwa eines Rotlichtverstoßes an einer mindestens seit sechs Sekunden rot zeigenden Ampel. Als Dashcam wird eine kleine Videokamera auf dem Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe eines Fahrzeugs bezeichnet, die während der Fahrt aufnimmt.
Das Amtsgericht Reutlingen (AG) hatte gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit des Missachtens des Rotlichts einer Ampel eine Geldbuße von 200 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Den Tatnachweis konnte das Amtsgericht allein aufgrund eines Videos führen, das ein anderer Verkehrsteilnehmer zunächst anlasslos mit einer Dashcam aufgenommen hatte. Das Oberlandesgericht hat dieses Urteil bestätigt und die Rechtsbeschwerde des Betroffenen verworfen.
Dabei hat das OLG offen gelassen, ob bzw. unter welchen Umständen die Nutzung einer Dashcam durch einen Verkehrsteilnehmer gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verstößt, das die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen nur in engen Grenzen zulässt. Denn jedenfalls enthalte die betroffene Vorschrift des BDSG kein Beweisverwertungsverbot für das Straf- und Bußgeldverfahren. Somit folge aus einem (möglichen) Verstoß gegen diese Vorschrift nicht zwingend eine Unverwertbarkeit der Videoaufnahme. Über die Verwertbarkeit sei vielmehr im Einzelfall unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden.
Dass das AG im vorliegenden Fall kein Beweisverwertungsverbot angenommen habe, sei aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zwar griffen Videoaufnahmen von Verkehrsvorgängen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ein. Die Intensität und Reichweite des Eingriffs sei im konkreten Fall jedoch gering. Insbesondere betreffe ein Video, das lediglich Verkehrsvorgänge dokumentiere und mittelbar die Identifizierung des Betroffenen über das Kennzeichen seines Fahrzeugs ermögliche, nicht den Kernbereich seiner privaten Lebensgestaltung oder seine engere Privat- oder gar Intimsphäre. Im Rahmen der Abwägung seien zudem die hohe Bedeutung der Verfolgung schwerer Verkehrsverstöße für die Sicherheit des Straßenverkehrs und das Gewicht des Verstoßes im Einzelfall zu berücksichtigen.
Das OLG hob zugleich hervor, dass die Bußgeldbehörden ihrerseits bereits bei Verfahrenseinleitung die Verwertbarkeit derartiger Aufnahmen zu prüfen und u.a. die Schwere des Eingriffs gegen die Bedeutung und das Gewicht der angezeigten Ordnungswidrigkeit abzuwägen hätten. Aufgrund des Opportunitätsgrundsatzes stehe es den Bußgeldbehörden frei, ein ausschließlich auf der Ermittlungstätigkeit von Privaten mittels Dashcam beruhendes Verfahren nicht weiter zu verfolgen.
(Quelle: PM des OLG)