Verkehrsrecht Urteile 2022 |
27.01.2022
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in seinem Urteil vom 24. Januar 2022 mit der Gewährung von kleinem Schadensersatz in den sog. "Dieselfällen" befasst (Az.: VIa ZR 100/21). Der Kläger kaufte im September 2013 für 12.999 Euro von einem Dritten einen Gebrauchtwagen Seat Leon, der mit einem von der beklagten Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 versehen war. Bei Erwerb wies das Kraftfahrzeug eine Laufleistung von 60.400 km auf.
Es war mit einer Software ausgestattet, die erkannte, ob es sich auf einem Prüfstand befand, und in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus in einen Stickoxid-optimierten Modus wechselte. Nach Bekanntwerden des sog. Abgasskandals ließ der Kläger ein von der Beklagten entwickeltes Software-Update aufspielen. Zum 31. Dezember 2019 betrug die Laufleistung des Kraftfahrzeugs nach Angaben des Klägers rund 275.000 km. Der BGH hat bekräftigt, dass der Käufer eines vom "Dieselskandal" betroffenen Fahrzeugs ein Wahlrecht hat.
Er kann gegen Rückgabe des Fahrzeugs und Anrechnung von Nutzungsvorteilen den gesamten Kaufpreis zurückverlangen (großer Schadensersatz). Er kann aber auch das Fahrzeug behalten und lediglich als kleinen Schadensersatz die Differenz zwischen einem höheren Kaufpreis und einem ggf. niedrigeren Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags beanspruchen. Für diese zweite Möglichkeit hat sich der Kläger entschieden. Im konkreten Fall besteht allerdings die Besonderheit, dass der Kläger das mit einem Kilometerstand von 60.400 km gebraucht gekaufte Fahrzeug bei Klageerhebung schon über weitere 200.000 km bis zu einem Kilometerstand von rund 275.000 km gefahren hatte.
Damit steht im Raum, dass der Käufer sich im Wege der Vorteilsausgleichung den Wert von Nutzungen auf den kleinen Schadensersatz in dem Umfang anrechnen lassen muss, in dem der Wert der Nutzungen den Wert des Fahrzeugs bei Vertragsschluss übersteigt. Da das Berufungsgericht weder Feststellungen zum Wert des Fahrzeugs bei Vertragsschluss noch zum Wert der vom Kläger gezogenen Nutzungen getroffen hat, hat der BGH das Berufungsurteil im Ausspruch zum kleinen Schadensersatz aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Berufungsurteil hatte im Ergebnis nur insoweit Bestand, als das Berufungsgericht den Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten verneint hat.
(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 24.01.2022)