Ein Erbfall wirft zahlreiche Fragen auf: Wer ist Erbe? Existiert ein Testament? Brauche ich einen Erbschein? Soll ich die Erbschaft annehmen? Kann ich das Testament anfechten?
Erbschaft annehmen oder ausschlagen?
Es ist ein verbreiteter Irrtum, dass man die Erbschaft ausdrücklich annehmen muss, um Erbe zu sein. In Wirklichkeit verhält es sich genau umgekehrt: Wer erfährt, dass er Erbe geworden ist, hat sechs Wochen Zeit, um das Erbe auszuschlagen. Tut er das nicht, ist er spätestens nach Ablauf dieser Frist Erbe. Und das bedeutet, er bekommt nicht nur die Vermögenswerte des Verstorbenen, sondern haftet auch grundsätzlich ohne Einschränkung für dessen Schulden und die Beerdigungskosten.
Das Erbe kann auch bereits vor Ablauf der Ausschlagungsfrist ausdrücklich oder durch ein Verhalten angenommen werden, durch das ein nicht beteiligter Dritter objektiv und eindeutig davon ausgehen muss, dass der Erbe die Erbschaft behalten will. Dies ist z. B. der Fall, wenn er einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins stellt oder den Nachlass demonstrativ in Besitz nimmt, also z. B. das Auto des Verstorbenen fährt.
Die Ausschlagung muss innerhalb der genannten Frist beim Nachlassgericht (dem Amtsgericht des letzten Wohnsitzes des Erblassers) erfolgen. Die Erklärung kann dabei entweder zur Niederschrift des Nachlassgerichts - in der Regel zu Protokoll des Rechtspflegers der Nachlassabteilung - oder durch Übergabe eines öffentlich beglaubigten Schreibens abgegeben werden. Mit der wirksamen Ausschlagung fällt das Erbe an denjenigen, der an Stelle des Ausschlagenden berufen gewesen wäre. Dies sind in der Regel die Kinder dieser Person, sofern sie welche hat. Sind sie noch minderjährig, müssen die Eltern als gesetzliche Vertreter für ihre Kinder ausschlagen.
Erbschein beantragen
Ein Erbschein ist ein amtliches Zeugnis zum Nachweis der Erbenstellung. Er wird dem Erben auf Antrag erteilt. Dieser Antrag ist an das Nachlassgericht zu richten. Antragsberechtigt sind neben jedem Erben oder Miterben die Nacherben für den Nacherbfall sowie ggf. der Nachlass- und Insolvenzverwalter und der Testamentsvollstrecker.
Ob der Erbe einen Erbschein benötigt, hängt von der Art des Rechtsgeschäfts ab, das er im Zusammenhang mit seiner Erbenstellung vornehmen will. Ist kein notarielles Testament vorhanden, ist z. B. für Umschreibungen im Grundbuch ein solcher erforderlich. Aber auch für Rechtsgeschäfte gegenüber anderen Behörden, Banken, Versicherungen etc. wird meist ein Nachweis des Erbrechts gefordert. Hat der Erblasser ein notarielles Testament errichtet, ersetzt dieses nach der Eröffnung den Erbschein, z. B. gesetzlich geregelt gegenüber dem Grundbuch oder dem Handelsregister, aber nach der Rechtsprechung auch gegenüber Banken und Versicherungen (BGH, Az.: XI ZR 311/04).
Pflichtteilsansprüche
Der Pflichtteilsberechtigte erhält keinen Erbanspruch und somit auch keine Rechte an bestimmten Nachlassgegenständen. Ihm steht lediglich ein Ausgleichsanspruch in Geld zu, der die Hälfte des ihm nach gesetzlicher Erbfolge zustehenden Erbteils ausmacht. Pflichtteilsberechtigt sind Kinder, gleich ob ehelich, außerehelich oder adoptiert, Ehegatten bzw. gleichgeschlechtlich eingetragene Lebenspartner und für den Fall, dass keine Abkömmlinge vorhanden sind, auch die Eltern des Erblassers.
Hat der Erblasser innerhalb der letzten zehn Jahre vor seinem Tod einen Vermögenswert an Dritte verschenkt, führt das zu einem sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben oder den Beschenkten. Allerdings vermindert sich dieser Pflichtteilsergänzungsanspruch nach jedem Jahr um 10%: Diese sog. Pro-Rata-Lösung bedeutet, dass die Schenkung nur noch innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall vollständig berücksichtigt wird, im zweiten Jahr vor dem Erbfall mit 9/10, im dritten Jahr mit 8/10 usw.
Testamentsanfechtung
Die Anfechtung eines Testaments ist nur möglich, wenn der Erblasser über den Inhalt seiner Erklärung im Irrtum war oder wenn er in der irrigen Annahme oder Erwartung eines Umstandes die Verfügung vorgenommen hat. Darunter fällt eine Täuschung oder Drohung durch Dritte, aber auch, wenn der Erblasser einen Pflichtteilsberechtigen mit der Verfügung übergangen hat, von dessen Existenz er nichts wusste (z. B. bei einem, dem Erblasser nicht bekannten, nichtehelichen Kind). Die Anfechtungsfrist beträgt ein Jahr ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes. Durch eine wirksame Anfechtung ist die Verfügung von Anfang an unwirksam.